Schlagwort-Archive: Berlin

Buch der Woche 5 – Elke Naters: Königinnen

Standard
Buch der Woche 5 – Elke Naters: Königinnen

Habe aus Gründen wenig geschrieben, aber trotzdem gelesen. Nun bin ich sehr in Verzug,  schon KW 8 und erst drei Bücher vorgestellt! Jetzt aber los, Frau Kopp.

Wir beginnen mit Elke Naters „Königinnen“. Ein kleines, dünnes Buch, welches schon lange im Regal steht und – gefühlt –  um die Jahrtausendwende (yes, geschrieben 1998) zu mir kam. Da gab es doch ganz viel von diesen kleinen Befindlichkeitsgeschichten.

Das Buch hat viele Hauptsätze. Die sind meist banal. Sie ermüden schnell.  Weil nichts passiert. Es hat auch unglaublich coole Sätze wie diese hier: „Wenn man so eine Musik hört, egal wo, muss man sofort umdrehen und  hinausgehen, weil bei dieser Musik bekommen die dümmsten Menschen gute Laune, das ist so unerträglich, dass kann man  sich gar nicht vorstellen. Weil sonst bekommt man als nicht dummer Mensch die schlechteste Laune, die man sich vorstellen kann.“

Es geht um um zwei Frauen, Männer, Berlin und Shopping. Es geht um Einsamkeit, Kommunikation, Freundschaft, Neid und Armut.

Das dünne Büchlein schafft es, ungesagt bzw. ungeschrieben ganze Paletten erwachsenen Zweifelns aufzuschichten und wieder abzutragen. Oft strengt die Hauptsatzsprache an. Sie wirkt zu nüchtern und zu spröde. Aber wenn man sich auf diesen stakkatohaften Fluß einlässt, erscheint das Unsichere und Suchende dahinter. Wie geht erwachsen sein? Wie geht Freundschaft?

Ich gebe es trotzdem weiter. Nicht, dass ich beide Fragen beantworten könnte (siehe hier), aber es passt nicht mehr in meine Zeit. Literaturempfehlung in der Literaturempfehlung: Bernhards „Wittgensteins Neffe“ werde ich lesen.

Mein Leben ist voll von ermüdener Hausfrauenscheiße.

aus „Königinnen“

 

Ermüdet Neja.

 

Buch der Woche 1 -Wolfgang Herrndorf: Arbeit und Struktur

Standard
Buch der Woche 1 -Wolfgang Herrndorf: Arbeit und Struktur

Das fängt nicht gut. Das erste Buch in meiner BdW-Reihe und ich habe nicht geschafft, es (ganz) zu lesen. Die Gründe sind ehrenhaft, doch dazu später.

Von Herrndorf steht schon seit Jahren sein dünnes Taschenbuch „In Plüschgewittern“ im Regal. Ich las es einmal und sortiere es aufgrund des Sujets (sensibler Mann verliert und findet sich in Kunst, Drogen, Frauen..) neben Matthias Altenburg und Joachim Lottmann ein. Gut und schnell lesbar, einige Anstreichstellen, aber nichts mit Sog.

Anders dann „Tschick“, welches mir schon länger bekannt war, aber Zeit brauchte, sich im Lesestapel nach oben zuarbeiten. Dieses Buch verschlang ich – ein Zustand, denn ich seit frühester Kindheit kenne, denn aber heute immer weniger Bücher in mir auslösen. Ich erinnere mich an die Rahmenhandlung, die mir verrückt, unmöglich, aber gerade deshalb möglich erschien. War da nicht eine Wartburgverfolgungsjagd im Braunkohlegebiet? Die intensiven Gefühle, Dialoge und Taten von Hauptperson, russischem Freund und Müllmädchen, die man nur in einer bestimmten Altersspanne genauso fühlt, sind mir bis heute im Gedächtnis.

Seinen nächsten Roman „Sand“ las ich nicht: damals bewusst, aber vielleicht hole ich es nach. Und dann die Diagnose und der Blog. Erschüttert und voller Respekt  verfolgte ich die Meldungen über sein Tun. Wie ich im Umgang mit Krankheit und dem Tod sozialisiert worden bin, übte ich mich auch hier in Ignorieren und Verdrängung. Ich traute mich nicht einmal, intensiv auf seinem Blog zu lesen – ich hielt das Gefühl nicht aus, einem Todgeweihten beim bewussten Sterben zuzusehen..

Die Todesnachricht, dann das Buch. Zweieinhalb Jahre schlich ich drumherum, bevor ich den Mut hatte, es auszuleihen. Zu Hause lag es noch einige Wochen unaufgeschlagen und konfrontierte mich mit meiner Urangst vor Krankheit, Leiden, Schmerz und Sterben. Ich machte zweimal den Versuch zu lesen – schaffte aber nicht mehr als ein paar Seiten. Der harmlose Einstieg im Pinguinkostüm, zwischendurch sensible Naturskizzen, das Ab und Auf der Krankheitsgeschichte und dann die bis zum Schluss so klar reflektierenden Selbstbeschreibungen.

Ich las die Anmerkungen und schloss das Buch tieftraurig. Andererseits auch unendlich beeindruckt von der Klugheit, Menschenliebe und Schaffenskraft Herrndorfs und seinem schlussendlichen Mut.

Und immer wieder vergesse ich die Sache mit dem Tod. Man sollte meinen, man vergesse das nicht, aber ich vergesse es, und wenn es mir wieder einfällt, muss ich jedes Mal lachen (…). Denn es geht mir ja gut.

Wolfgang Herrndorf

Traurig grüßt Neja