
Liebe Freundin,
es ging schnell mit uns. Ich konnte gar nicht fassen, dass ich mit über 40 Jahren noch mal eine enge Freundin finde. Du stolpertest mir über den Weg und innerhalb kürzester Zeit hatten wir unsere Familien verzahnt und uns im nächtelangen Einsatz unser Leben erzählt. Schnell sehr vertraut, schnell sehr persönlich – weil du so unkompliziert und neugierig auf uns warst. Konnte es sein, dass es (neben meinem unerreichten Gemahl) jemanden gab, der meine nicht ganz so einfache Sicht und Einstellung teilte, der meine Sätze ergänzte? Wir lachten, tranken und redeten viel in diesen zwei Sommern und erreichten rasend schnell eine Stufe der Vertrautheit, die in andere Freundschaften in 20 Jahren wächst. Unserem Umfeld war das unheimlich und einige kamen auch mit deiner speziellen Art nicht zurecht. Bei unseren letzten Treffen war auch ich nicht mehr so unbeschwert, da ich deine Neugier zunehmend belastend empfand. Ich hatte das Gefühl, mich für vieles erklären und rechtfertigen zu müssen und die Leichtigkeit in unseren Gesprächen war vorbei.
Und dann kam dieser Sommerabend. Laue Luft und Laternen. Ich war diesmal ganz unvoreingenommen und freute mich riesig auf dich. Wir redeten und tranken und das in loser Folge, schnell und viel. Noch vor Mitternacht stolperten wir über ein klassisches Smalltalk Tabu, obwohl wir über diese Stufe längst hinaus waren, sie eigentlich nie probiert hatten. Politik. Ich sagte was Doofes, du sagtest was Doofes und am Schluss etwas ziemlich Gemeines. Dann nur noch Tränen. Seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen. Seitdem habe ich mir fast jeden Tag den Kopf zerbrochen, was da eigentlich passiert ist. Was schwelte da die ganze Zeit, was jetzt zu explosiv zum Ausbruch kam? Du löstest zum Leidwesen aller Kinder die Familienconnections und zeigtest kein Interesse an einer Aussprache. Ich fühlte mich geschockt, wütend, traurig – fand aber keinen Weg, dich in mein Leben zurückzuholen.
Ich danke dir, dass du ein großes Problem für mich geklärt hast. Ich danke dir für Tage am See und Nächte am Feuer. Deine Offenheit hat mich angesteckt und ich übernahm sogar einige deiner Sprachticks.
Ich danke für die Erfahrung. Aber nun ist es genug.
Neja
Einen richtigen Abschied erkennt man daran, daß er nicht mehr weh tut.
Hans Noll