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Papiernazi

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Papiernazi

Ich habe kürzlich 7 kg einseitig bedrucktes Papier weggeworfen. So.

Mmmhhh…. Tiefes Einatmen mit strafendem Augenbrauenhochziehen auf der anderen Seite. Das macht man doch nicht! Du Papiernazi. Die Bäume, das Klima, du bist mit Schuld, wenn die Welt zugrunde geht, blabla…

Lange Jahre sammelte ich alles Bedruckte bis zum Format A5 und stapelte es zu hohen Türmen, in der Hoffnung auf Verbrauch irgendwann durch irgendwen. Sogar bei den letzten Umzügen schleppte ich einen Karton einseitig bedrucktes Papier mit. Man müsste mal die Ökobilanz des gefahrenen Umzugskartons (immerhin 300 km) im Verhältnis zum Otto-Billig Neublock ausrechnen, aber ich wollte alles richtig machen.

Ich habe zwar drei kritzelwütige Kinder, die müssten aber bis zum Rentenalter malen, um die Stapel ansatzweise abzutragen. Sie sind auch in einem Alter, wo sie Bilder verschenken oder Papier verbasteln und da ist es schon peinlich, wenn auf der Rückseite die Mahnung für obskure Abnehmpräparate oder Seminarmaterial über die psychosoziale Entwicklung des Kindes zu sehen sind. Außerdem benutzen wir aus Geiz äh Sparsamkeitsgründen dünnes Papier, was bedeutet, dass die Druckerzeilen durchschimmern. Die Kids haben also kein rein weißes Blatt vor sich, was den Malspaß erheblich schmälert, weil man die grauen Linien in das Bildsujet einbauen muss.

Ich selbst schreibe zwar alle Konzepte, Pläne und Listen auf diesem Papier vor – mehr als 5 Blätter pro Woche verbrauche auch ich nicht. Stattdessen quetsche ich täglich fünf neue Blätter in die Ablagen – Rechnungen, falsche Kopien, Werbung. Es kommt mir vor, wie das Märchen vom süßen Brei – nur dass bei mir Papier- und nicht Breiberge quellen (mit letzterem könnte ich mich ja noch anfreunden).

Im zweiten Emanzitionsschritt habe ich sogar schon gewagt, Bücher in den Papierkorb     (nie in den Ofen) zu werfen. Diese waren total zerfledert, rochen komisch und/oder waren fragwürdigen Inhalts. Gerade bei letztem Punkt ist meine Toleranzschwelle sehr sehr hoch. Weg kommen nur Druckwerke, die eindeutig Auftragsliteratur sind und indoktrinieren sollen. Der Rest wandert in die Kiste mit den langweiligen, unterfordernden oder nicht mehr benötigten Büchern. Diese ist fast voll und wird bald verschenkt. Ich selbst bin sehr kritisch, kann aber nicht über den Unterhaltungswert für andere richten. Vielleicht freut sich doch jemand über „Der Jagdhund“ oder den Sick’schen „Dativ“.

Zurück zum Papier. Dieses liegt jetzt in der blauen Tonne, wird (hoffentlich) receycelt und begegnet mir vielleicht in Form einer Zeitschrift oder eines schönes Notizheftes wieder.

Verschlankt grüßt

Neja

  • Ich weiß natürlich, dass der Begriff „Papiernazi“ eine negative Bedeutung hat und damit die Schreibtischtäter unter Hitler bezeichnet wurden, welche auf dem Papier Befehle erteilten und sich nicht die Hände schmutzig machten. Aber Mensch, ich will nicht immer politisch korrekt sein, hat mir ja beim Papier auch nichts gebracht.

 

Die Basis einer gesunden Ordnung ist ein großer Papierkorb.

Kurt Tucholsky