Archiv für den Monat März 2016

Buch der Woche 9-13: Frustmix

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Buch der Woche 9-13: Frustmix

Irgendwie ist im Moment der (Bücher-)Wurm drin. Ich habe keine Zeit und Lust zu bloggen und die Bücher, die ich lese, hauen mich auch nicht vom Hocker. Ich fange an und lege weg oder quäle mich durch.

Carlos Ruiz Zafron: „Der Gefangene des Himmels“. Der dritte Teil der Barcelona-Triologie, die ich Spätzünder erst jetzt entdeckt habe. Haben mich die ersten Bände gefesselt, scheint dieser mit dem schnellen Stift und wegen des zu erwartenden Anschlußerfolges geschrieben worden zu sein. Eine vergleichsweise geringe Seitenanzahl, die große Schriftgröße und ein nicht so komplexer Inhalt untermauern meine Vermutung. Erzählt wird die Geschichte einer – mir eigentlich sehr symphatischen- Nebenfigur und ihrem Vorleben, welches hauptsächlich zwischen Band 1 und 2 spielt. Unnötig brutale Schilderungen und etwas zu wenig von dem zafrontypischen Schaudern enttäuschten mich. Trotzdem bin ich mit Zafron nicht fertig. Irgendwann habe ich die Zeit, detektivmäßig die komplexen Verknüpfungen und Handlungsstränge der Romane zu entwirren und mich mit seinen anderen Werken zu beschäftigen.

Ursula Ott: „Schöner scheitern“. Kleine Geschichten über die Ärgernisse und Glücksmomente des Alltags – Wiedrigkeiten in Familie, Job und dem Leben allgemein. Gut geschrieben, aber schon oft so gelesen. Die Autorin ist Journalistin und hat – glaube ich – auch nicht den Anspruch schriftstellisch tiefe, nachhaltige Werke zu schaffen. Habe öfter gegrinst und dann schnell wieder vergessen. Für die Gammelstunde zwischendurch.

Sibylle Weischenberg: „Meine dreißig Lippenstifte und ich“. Mist! Großer Mist. Aus dem Verschenkregal der Bibliothek, weil zu wenig ausgeliehen. Zu Recht.

Alexander zu Schönburg: „Smalltalk“. Der Herr kann schreiben und hat ein überdurchschnitliches  Allgemeinwisssen. Wie auch schon in „Die Kunst des stilvollen Verarmens“ gefällt mir seine gelassene Haltung und seine fast philosophische Deutung bestimmter Lebensereignisse. Seine Bücher sind weniger Ratgeber als gut beobachtete Gesellschaftsanalysen und (s)eine Haltung dazu. Allerdings ist Schönburgs Bekanntenkreis nicht mein Bekanntenkreis und meine Sozialkontakte können mit  abgefahrenen Theorien zur Kunstgeschichte und Geldanlageanekdoten vom Börsenguru Kostolany wenig anfangen. Wenn man das Namedropping erträgt, taugt es gut zur Auffrischung oder dem Neuerwerb eines breiten konsensfähigen Allgemeinwissens. Habe das Buch trotzdem erst zur Hälfte durch.

Manfred Lütz: „Bluff“. Von Lütz habe ich „Irre!“ gelesen und fand es informativ und gleichzeitig unterhaltsam. Darum nahm ich mir gleich zwei weitere Einwortwerke („Bluff“ und „Gott“) mit. Leider verstehe ich das Konzept dahinter hin. Ich scheue keine Gedankenarbeit, aber muss man hunderte Seiten naturwissenschaftliche und philosophische Gedanken wiedergeben, wenn man doch sagen könnte: „Stellt euch vor, es wäre wie in der Truman-Show.“ (Hat er ja auch im ersten Drittel des Buches.) Aber was soll das drumherum? Für den Kerngedanken, dass die Welt doch ein großer Bluff sei, fehlen wiederum Herleitungen und Belegen. Oder denkt er es gar nicht und will nur das Denken des Leser aktivieren? Wäre dem psychatrischen Arzt und Theologen durchaus zuzutrauen. Mit diesem Buch komme ich nicht weiter. Ich gebe es zurück und werde hoffentlich irgendwann seine anderen provozierend-wiedersprüchliche Bücher verstehen.

Außerdem Zeitungen, Zeitschriften, Magazine – ich konsumiere, lese aber nicht so, wie ich es mir wünsche.

Das Unheil, welches die schlechten Bücher anrichten, kann nur durch die guten wieder ausgeglichen werden.

Germaine de Stael

In diesem Sinne

Neja

 

Geräuschallergie

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Geräuschallergie

Um mich herum haben dreiviertel aller großen und kleinen Leute irgendwelche Unverträglichkeiten oder Allergien. Fast stolz erzählen 45jährige von der plötzlich auftretenden Fruktoseintoleranz und der Bauer, der seit 50 Jahren auf den Dorf wohnt, hat auf einmal eine Katzenhaarallergie. Eine befreundete Familie mit zwei Kinder bringt es insgesamt auf über 30 Unverträglichkeiten. Entspannt gemeinsam essen ist da nicht mehr.

Ich habe nichts. Kann alles essen und jedes Tier streicheln. Fast neidisch blicke ich am Tisch auf Extradöschen und Ersatzstoffe und lausche Geschichten über anschwellende Hälse und schreckliche Hautauschläge. Dann fällt es mir ein: ich habe auch eine Unverträglichkeit vorzuweisen, ich habe eine Geräuschallergie!

Das Klackern des Blinkers ist mir zu laut. Wenn ich an einer Ampel stehe, blinke ich erst kurz vor dem Losfahren und ziehe (zu Recht) den Zorn der anderen Autofahrer auf mich.  Fön, Mixer, Schleudergang – alle üblichen Haushaltgeräte quälen mich (der Staubsauger geht komischerweise).Wenn man ein Geheimnis aus mir herausholen wollte, reichen 30 Minuten Privatradio in nicht einmal übermäßiger Laustärke. Diese schreiende Pseudofröhlichkeit mit dummer Werbung und nertötender Musik kocht mich weich.Ich möchte mich nicht anschreien lassen, weder von Radiotrailern, noch von Fernsehwerbung und schon gar nicht von meinem Chef.

Ich mag Musik, gern auch laut. Sie darf mir aber nicht aufgezwungen werden, dann funktioniert auch meine Lieblingsmucke nicht mehr. Früh um sieben auf der Straße geht kein Punk oder kein Schmalzpop – beides macht mich aggressiv. Mein Gatte liebt Sprechsender wie den Deutschlandfunk und schaltet sie nur ein, wenn ich nicht im Haus bin. Ich höre durch zwei geschlossene Türen die Stimmen. Höchstqual: die Bundesligaschlusskonferenz im Radio: Schreien, Jubel, lautes schnelles Sprechen, ins Wort fallen, Schreien.

Motorräder, Ampelschnellstarter und ganz besonders diese getunten Kisten erschrecken mich immer wieder.Wie kann man im Auto so laute (und meistens auch so blöde) Musik hören, dass es sogar im nebenstehende Autos vibriert? Und hier hätten wir schon die Formel: laut= meist auch blöd. Dies gilt für Worte, Musik und Maschinen.

Kindergetobe mit Rennen und Hüpfen und Quitschen ertrage ich tagesformabhängig. Nie gewöhnen werde ich mich an pubertierend Mädchenrunden, deren Kommunikation auschließlich aus Kichern, Kreischen, Gickern und Prusten besteht.Wenn meine Jungs in ihrer Youtube-/Gamersprache sprechen, reden sie schnell und laut und irgendwie rhytmisch. Gehört zum Habitus und nervt mich trotzdem. Manchmal meckere ich sogar, wenn meine Tochter singt.Sie singt sehr gut. Allerdings muß man wissen, dass sie sehr lange singt und dazu auch tanzt.

Ich höre, wie die Kinder sich im Schlaf umdrehen, obwohl ich mit Ohrenstöpseln schlafe. Was meint ihr, diese Symptome können es doch mindesten mit einer Histaminintelorenz aufnehmen, oder? Trotzdem habe ich nie über eine Desensibilisierung oder Ersatzstoffe nachgedacht. Ich bin vielleicht überempfindlich, das ist aber gut so. Denn laut=meist auch blöd.

Ganz leise grüßt

Neja

Die Ruhe ist die natürliche Stimmung eines wohlgeregelten, mit sich einigen Herzens.

Wilhelm von Humboldt

Die Abrechnung- Februar

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Die Abrechnung- Februar

Der März ist schon fortgeschritten und ich habe den Februar noch nicht finanztechnisch analysiert. Ich traue mich irgendwie nicht, da ich weiß, dass ich wieder über die Stränge geschlagen habe. Davon unabhängig sieht es im Moment übel aus (Auto kaputt, Drucker kaputt, Ostern und Tochtergeburtstag steht an usw.), aber ab Juli wird sich dieses ständig beklemmende Gefühl hoffentlich etwas geben. Ich habe bei der Gehaltsverhandlung alles gegeben und todesmutig und knapp an der verhaltensbedingten Kündigung argumentiert. Kann mich trotzdem nicht richtig freuen, denn bis Juli sind noch so viele finanzielle vorhersehbare und unvorhersehbare Dinge zu stemmen.

Also, jetzt erst mal zum Februar; es bleibt bei der Einteilung Luxus und nötig.

26,95 Briefmarken NÖTIG

4,- Päckchenporto NÖTIG

15,75 Lotto LUXUS

17,- Pediküre LUXUS

10,- Fisch LUXUS

24,- Friseur Kinder NÖTIG

50,30 Tanken NÖTIG

9,90 Handcreme LUXUS!

9,90 Hautcreme NÖTIG

38,40 Geschenk zur Geburt NÖTIG

4,50 zweimal Obstschale NÖTIG

34,10 Insulin für die Katze NÖTIG

3,20 Parken?

40,- Kinderkleidung NÖTIG

44,- Apotheke (davon 27 € nicht nötig – Immunstärker)

22,20 Mittag für mich ?

3,50 Spenden NÖTIG

1,20 Ingwertee NÖTIG

4,70 Geburtstaggeschenk NÖTIG

22, – vier Sonnenbrillen (NÖTIG)

46,- Kleinkram für Haus und Hof (20,-  davon LUXUS)

14,90 Drogerie NÖTIG

20,80 Bäcker für die Kinder?

66,80 Lebensmittel NÖTIG

So und jetzt kommt es – schimpft mit mir und buht mich aus: 170,- Kleidung ich! LUXUS LUXUS LUXUS ! Am Tag des Gehaltsgesprächs habe ich ganz aufgewühlt in einer Überprungshandlung zugeschlagen. Es sind viele Teile (14) und sie sind sehr preiswert gewesen (ich traue mich gar nicht zu sagen, wo ich sie gekauft habe), aber trotzdem ist die Summe von 170 € schon gewaltig,  so wie sie hier steht.

Bei der Aufstellung komme ich wieder ins Grübeln.  Zu den Problematiken Bäcker für die Kinder, Mittag für mich und Parken hatte ich schon im Januar geschrieben; hier gilt wie immer Zeit oder Geld. Aber trotzdem bleibt in jedem Monat die Grundfrage: Was ist nötig, was ist Luxus? Kann ich die Haare der Kinder selber schneiden (NEIN!), muss es die überteuerte Obstschale für die Tochter sein (an diesem Tag Ja), sind diese für mich teuren Cremes nötig (Handcreme auf keinen Fall, Hautcreme vetrage ich nach langer Suche genau diese am besten). Na klar, Kinderkleidung bekomme ich auch second-hand, aber ich habe keine Zeit zum Suchen und ein pubertierendes Kind will nicht alles gebraucht und hat außerdem einen speziellen Geschmack.

Es macht mich erneut trautig, wie knapp das Geld bei zwei Vollverdienern in guten Positionen ist und das Selbstverständlichkeiten bei uns keine sind. Auch die Kinder bekommen die angespannte Lage mit, wobei wir sie davon wenig merken lassen wollen. Sie fragen nach Lebensmittelpreisen und wählen das günstigere Angebot, aber hätten auch gern mal den Original „Hohes C- Orangensaft“ gekauft. Ich will das nicht 😦 und wäre auf jeden Fall unverkrampfter, wenn neben anstrengender Arbeit, forderndern (zu Recht) Kindern und dem anderen Lebenskram eine etwas entspanntere finanzielle Lage herrschen würde.

Dispoverliebt grüßt

Neja

Bewerte Geld nicht höher oder niedriger als das, was es wert ist;
es ist ein guter Diener, aber ein schlechter Meister.

Alexandre Dumas

Wie ich mein Kamel verkaufte

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Wie ich mein Kamel verkaufte

Es ging zu wie auf einem arabischen Kamelmarkt. (pc-Selbstzensur: Der vorige Satz stellt keineswegs eine Diskriminierung eines bestimmten Tieres oder eines Lebensraum dar, sonders ist eine neutrale kulturwissenschaftliche Aussage.)

Tag 1

Kamelkäufer(KK) und informierter Verkäufer (IV) sitzen locker beeinander und plauschen.

KK: „Blabla … Ihre Leistung… sehr zufrieden… Aufgabenbereiche….. Ziele erreicht….. gute Außenwirkung…. blabla“

IV: „Freut mich.“ (nickt und schaltet wieder ab).

KK: “ Und dann kommen wir mal zum Gehalt.“

IV: (schreckt auf und nimmt eine kompetente Haltung ein): „Ja?“

KK: “ Sie hatten ja vermerkt, dass eine Anpassung geben soll…“

IV: (gut vorbereitet, mit Überzeugung) “ … schon zwei Jahre dabei ….Aufgaben und Verantwortung gewachsen….. gute Mitarbeiter gut bezahlen….“

KK: „Was haben Sie sich denn vorgestellt?“

IV: (holt Tabelle aus der Tasche) „Ich habe hier mal die Durchschnittsgehälter für meine Bereiche in unserer Region zusammengefasst. Ich bin im Prinzip fünf Abteilungen, weiß nicht, was ich zuerst machen …“ (reicht zögernd das Blatt rüber)

KK:  (studiert Tabelle und erfasst die in stundenlanger Arbeit zusammengestellten Daten nicht).“ Ja, mh, was hatten Sie sich denn nun vorgestellt?“

IV: (hatte gehofft, dass KK aus Zahlen schlau wird) „Na, so viel wie’s geht.“ BLÖDE ANTWORT! BLÖDE ANTWORT!

KK: “ Sagen Sie jetzt was!“

IV:  (todesmutig) „3000!“ (albern kichernd )

KK: „3000:“ (Stimme wird leise, KK wird blass).

Zeit vergeht.

KK:“Ich nehme mal das Blatt mit, ich will erstmal mit dem Lohnbüro reden, was da für mich noch draufkommt. Wir sprechen morgen.“ (will aufbrechen)

IV: (zufrieden, dass KK nicht gleich in Ohnmacht gefallen ist… mit mutiger Stimme): „Das können Sie doch jetzt gleich ausrechnen, mit dem Dreisatz und so…“

KK: (behält bewunderswerter Weise die Fassung ) “ Lassen Sie uns morgen reden.“

Tag 2

KK: (steigt ohne Umschweife ein)“Wir hatten ja gestern über Ihr Gehalt gesprochen und ich muss sagen, das ich schockiert war.“

IV:(schluck) „Mh“

KK: „Ich habe gestern noch eine Stunde mit dem Steuerberater telefoniert und wir haben uns alles detalliert angeguckt.“ (holt Blatt hervor, dass jetzt noch voller bemalt ist)

IV: (würg, winkt schwindener Hoffnung hinterher) „Mh.“

KK:“ Also Tarif öffentlicher Dienst …Eingruppierung … muss es ja auch erwirtschaften….schon entgegengekommen… eigentlich 2100…schon Riesensprung…

IV: (fällt ihm ins Wort und argumentiert, als ob es um sein Leben gänge) „Dann Aufgaben kürzen, Qualität leidet….blabla.“

KK: „Maximal 2300.“

IV:  (wird im Angesicht des Untergangs frech) „Dann darf man nicht so viele teure Möbel anschaffen und diese ganzen Weiterbildungen buchen.“

Zeit vergeht.

KK: (scheint Kopfschmerzen zu bekommen) “ Ich kann doch auch nicht mehr…..2300.“

IV: (vollkommen von Sinnen) „Unter 2500 gehe ich hier nicht raus.“

KK: “ Passen Sie auf, ich komme Ihnen entgegen – wir machen ab dem 01.03. 2400.“

IV: „Ab 01.06. 2500.“

KK:“Ab 15.06. 2450.“

IV:“Ab 15.06. 2500.“

KK: „Ab 15.06. 2480.“

IK: (die Fassung verlierend) „Mann, haben Sie sich doch nicht so, die 20 Euro!“

KK: (lächelt unergründlich)

IV: „Ab 01.07. 2500.“

KK: (atmet tief aus) „Okay, dann sag ich dem Lohnbüro Bescheid.“

Kamelkäufer(KK) und informierter Verkäufer (IV) sitzen locker beeinander und plauschen.

 

Bald etwas reicher grüßt

Neja

 Mancher wird es mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

William Falkner