Schlagwort-Archive: Familie

Ich bin wieder bunt

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Ich bin wieder bunt

Vor zwei Jahren erschien hier der erste Text. War ich am Anfang noch produktiv und euphorisch, nahm mich das Leben mit seinen großen und kleinen Tälern so in Anspruch, dass ich mich hier nicht mehr äußern konnte. Das und das und dann doch wieder das  brachten mich an den Rand meiner Kräfte. Wünsche anderer und eigene Ansprüche  konnten nicht erfüllt werden. Tränen, Schweigen und Verlorengehen . Dann traf ich eine Entscheidung. Ich hatte plötzlich Zeit mein Leben zu  betrachten und zu sortieren. Ich verabschiedete manches und lernte mich  zu schützen. Ich weiß, was mir gut tut (Ruhe, Alleinsein, Ruhe, Ruhe) und setzte es durch.

Nun bin ich wieder bunt. Seit einem Jahr in festen Arbeitstrukturen, ohne Existenzangst und mit gutem familiären Rückhalt, erfahre ich Wertschätzung für mein Wesen und meine Arbeit.  Ich empfinde ich große Dankbarkeit über diesen Lebensverlauf. Wichtig dabei war, dass ich die Prozesse aktiv gestaltetet habe – so habe ich z.B. gekündigt (ohne Aussicht auf einen neuen Job). Einen großen Schub Richtung Besserung hat gebracht, dass ich nicht Entscheidungen abgewartet und dann passiv erduldet habe, sondern ich mich entschieden habe. Und zwar mit allen Konsequenzen und ohne Plan B gegen die damalige Situation.

Ich bin weicher, aber gleichzeitig auch stärker geworden. Ein Beispiel: Hat mir früher eine Tasse mit einem zierlichen floralem Muster gefallen, habe ich mir nicht erlaubt, sie zu kaufen, weil unser Geschirr doch sehr schlicht ist und ich nicht wusste, was der Mann über diesen „Weiblichkeitsausbruch“ so denkt. SO WHAT! Es ist nur eine Tasse und wenn sie mir eine schöne Stunde beschert, her damit. Seitdem habe ich mindestens drei derartige Exemplare erworben und unser Tassenregal ist durcheinandergewürfelt und bunt. SO WIE ICH.

Hier wird es jetzt wieder regelmäßige Post und Buchrezensionen geben, ich freue mich drauf.

Herzliche Grüße

Neja

„Nur ein stilles Wasser wird wieder klar.“

Über die Unwichtigkeit von Zahnpastaflecken

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Über die Unwichtigkeit von Zahnpastaflecken

Wie oft wollt ihr eure Familie tauschen? Zweimal im Jahr, dreimal im Monat, täglich?

Bei mir war es gestern wieder soweit. Während ich wehmütig den Weihnachtsschmuck wegräumte, tobte es um mich herum (kindlich), zickte es schnippisch (pubertär) und grummelte es (midlifekriselig). Die erste Kugel zerschellte, die Tür knallte und der Kater kämpfte mit dem Hund, welcher wiederum vor Angst seinen Fressnapf umstieß. Da dachte ich sehr sehr intensiv: am liebsten möchte ich euch alle in die Kisten packen, ganz hoch auf das Regal stellen und erst zum Jahresende wieder hervorholen. Oder ich packe mich ein paar Monate ein und entspanne mich neben Filzschaaf und Nudelengel. Die geben keine Widerworte und verursachen keinen Trubel. Auf den vielen Strohsternen liegt es sich bestimmt gut.

Warum ist es bei uns oft so laut, so chaotisch und so unpädagogisch? Benahmen sich die vielen Gastkinder, die über Silvester da waren, so? Benahmen sich deren Eltern so? Kann ich nicht für vier Wochen in eine Familie tauschen, wo das Essen ohne Nörgeln und der Abend ohne Meckern und Schreien abläuft? Gibt es Grundschulkinder, die nicht jedesmal, wirklich jedesmal das Waschbecken voller Zahnpasta hinterlassen? Wo der Kater immer das Katzenklo trifft und der Gatte am Abend nicht eine Stunde braucht, um sich wieder an die Familie zu gewöhnen? Aber diese Superkinder würden aus Streberhaftigkeit bestimmt keine Erdbeereisregenbilder in ihre Schulhefte malen, welche die Lehrer bemeckern, ich aber zauberhaft finde. Diese Kinder würden mir keine krummen „maschasche“- Gutscheine anfertigen und auch einlösen. Das Teenikind wäre zwar nicht widerborstig, würde sich aber auch nicht trauen, mit mir seine geheimsten Gedanken und erstaunlich tiefe philosophischen Fragen zu besprechen. Der Superduperehemann würde sich zwar jederzeit pädagogisch wertvoll mit den Kindern beschäftigen, hätte aber Schiss, verrückte und manchmal leicht gesetzeswidrige Abenteueraktionen durchzuziehen, an die sich die Kinder ganz sich ihr Leben lang erinnern werden.

Am nächsten Morgen sah ich die Entschuldigungsbriefchen, in denen mehr Buchstaben falsch als richtig waren, den Frühstückstisch mit Servietten und Rührei und den plötzlich aufgetauchten Tulpenstrauß. Sogar die Viecher fraßen einmütig aus einer Schüssel.

Ich atmete tief durch und beschloss: „Na gut, über den Sommer behalt ich euch doch. Her mit der Handbürste!“

Neja

Die meisten Menschen sind so glücklich, wie sie es sich selbst vorgenommen haben.

Abraham Lincoln

Thank you, Hermesfrau

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Thank you, Hermesfrau

Es gibt so viele Menschen, die uns unterstützen und unseren vollgepackten Alltag etwas erleichtern:

  • die kleine und nicht mehr so rüstige Kernfamilie
  • die wenigen Freunde, die eine Karte schicken, Äpfel vor die Tür stellen oder auf einen Schnaps vorbeikommen
  • die Nachbarn, die im Alltag nicht so präsent sind, auf die man sich im Notfall (Baum fällt auf die Garage, Hund ist weggelaufen) verlassen kann
  • die Teenisitterin, welche streitende Kinder, streichelbedürftige Tiere, kochendes Essen und doofe Hausaufgaben gleichwertig im Blick hat
  • der Hundesitter, welcher unseren Hund täglich kostenlos und mit viel Freude ausführt
  • und zu guter letzt unsere Hermespostfrau: Eine bewunderswert agile Mitdreißigerin, die sich immer gut gelaunt und tapfer durchs Leben schlägt. Ich glaube, sie hat fünf Jobs. Schon früh im Dunkeln, wenn wir zu Schule und Arbeit fahren, treffen wir sie auf dem Fahrrad für den lokalen Postverteiler unterwegs. Dann ist ab Nachmittag mit dem Hermesauto in der Stadt unterwegs. In der Weihnachtszeit klingelte sie ganz verschämt und entschuldigend („Sie hätte noch Licht gesehen.“) nach 20.30 Uhr bei uns. Ich habe gelesen, dass die Hermeszusteller zu ihrem geringen Grundgehalt pro abgegebenen Päcken 50 Cent bekommen. Skandalös, wenn es wirklich so ist. Meistens kann man bei Bestellungen nicht selbst entscheiden, welcher Paketdienst liefern soll.  Ich habe ein schlechtes Gewissen, kann ihr aber nur mit netten Worten und einem großzügigen Trinkgeld in der Weihnachtskarte helfen.

Neja

Keine Schuld ist dringender als die, Danke zu sagen.

Cicero

Zuviel Kinderei

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Zuviel Kinderei

Feiertage – Zeit, Daueressen, zuviel Medien glotzen und die ständige Präzens aller Familienmitglieder. Hab ich mir zwar gewünscht, nun war es mir doch zuviel. Der Mann schlug einen Spaziergang im Dunkeln vor. Die Kinder nahmen den Hund und Taschenlampen mit. Gut gedacht, dachte ich. Die ersten 10 min konnte ich das Draußensein genießen, dann begann die natürliche Abfolge variabler kleinen Katastrophen, die immer (wirklich immer!) eintreten, wenn alle fünf Familienmitglieder zusammen sind. Diesmal stolperten die Eltern in die Kinderfersen, diese verfingen sich in der Hundeleine und zerbrüllten zartes Entengequake. Zu allem Überfluss begann der Nachwuchs in Erwartung des versprochenen Kinobesuches mit den Taschenlampen Lichtschwertkämpfe auszutragen und blendeten dabei oft unsere Augen. Mir wurde schnell schwindlig und der Ärger wuchs wie die Lautstärke der Kinder. Ich kehrte alleine um und genoß die 10 Minuten Rückweg; machte gar noch einen Umweg, um das Gefühl von Dunkelheit und Ruhe auszukosten. Allein im absolut stillen Haus, mit der Wärme des Kachelofens, dem Restduft des Mittagessens und dem Glitzen des Geschenkpapiers, vermisste ich sie schon wieder.

Ich kann nicht mit und nicht ohne sie.

 

Gib den Füßen Ruhe, aber auch dem Herzen.

Aus Nigeria