Archiv der Kategorie: Kritik

Silbernetz

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Silbernetz

Meine Kinder gestalten ein Geburtstagsgeschenk für ihren Opa. Sie haben das Glück, mit zwei Großeltern aufzuwachsen und auch noch ihre Urgroßeltern einige Jahre erlebt zu haben. Die ersten Lebensjahre wohnten wir zu weit weg. Das Besuchen fiel beiden Seiten schwer. Mir, weil Reisen mit drei Kleinkindern einfach nicht schön ist und meinen Eltern, weil die weite Fahrt und der Aufenthalt in einer fremden Wohnung mit anderen Abläufen sie anstrengte. Vor 8 Jahren zogen wir in die Nähe meiner Familie und sehen uns seitdem mindestens einmal die Woche. Die Kinder lieben ihre Großeltern vorbehaltlos. Sie telefonieren und chatten mit ihnen und erzählen ihnen manchmal mehr als uns. Schenkten sie anfangs noch Bilder und Basteleien, wird es jetzt richtig praktisch mit Gutscheinen fürs Umgraben und Putzen. Regelmäßig übernachtet ein Kind dort und dies ist für beide Seiten die Chance, sich  intensiv miteinander zu beschäftigten, was sonst in der Dreierkonstellation unterginge. Opa und Opa lernen etwas über Minecraft und meine Söhne verwenden plötzlich Wörter wie „Spitzbube“ oder „Stelldichein“. Die Kinder bekommen den Alterungsprozess der beiden mit und machen sich Gedanken und Sorgen, wie es ihnen in den nächsten Jahren gehen wird. Ich bin sehr dankbar für diese enge Bindung und meine Großfamilie.

Viele ältere Menschen haben viel seltener oder gar keinen Kontakt zu ihren Kindern oder Enkeln. Sie leben vereinsamt und isoliert in ihren Wohnungen und haben maximal Kontakt zu Pflege- und Versorgungsdiensten. Wenn dann auch noch die Mobilität eingeschränkt ist, fällt auch die Möglichkeit zum Rentnertratsch im Seniorentreff weg. Wo das Dorf oder die Kleinstadt vielleicht ältere Menschen in dieser Situation noch eher auffängt und in dörfliche Abläufe einbindet, sind allein lebende Senioren in der Großstadt anonym und nicht sichtbar. Je länger Menschen allein leben, desto schwerer fällt es ihnen, an Angeboten teilzunehmen oder einen Hilfebedarf zu formulieren. In Berlin gibt es den Verein „Silbernetz“ , der sich dieser Problematik annimmt. Ganz niedrigschwellig bietet der Verein durch Ehrenamtliche einen Telefonkontakt für ein persönliches und trotzdem anonymes Gespräch.

„Das Hilfetelefon gegen Einsamkeit im Alter in einem ersten Testlauf geschaltet. Tag und Nacht, rund um die Uhr. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800 4 70 80 90 können ältere vereinsamte und isoliert lebende Menschen aus Berlin (Vorwahl 030) zum ersten Mal in dieser dunkelsten Zeit des Jahres bei Silbernetz anrufen, reden und erzählen, ihren Tag und ihre Sorgen teilen. „

Weiterhin gibt es es einen Freundschaftsdienst, bei dem einmal wöchentlich ältere Menschen für eine Stunde angerufen werden. Natürlich nur auf Wunsch. So entfällt die Schwierigkeit, selbst anrufen zu müssen.

Der Verein freut sich über Spenden für Headsets und die Anrufkoordination.

www. silbernetz.org

Schöne Feiertage wünscht euch Neja

Strassenkreide Glückwunsch Großvater

 

Ich bin wieder bunt

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Ich bin wieder bunt

Vor zwei Jahren erschien hier der erste Text. War ich am Anfang noch produktiv und euphorisch, nahm mich das Leben mit seinen großen und kleinen Tälern so in Anspruch, dass ich mich hier nicht mehr äußern konnte. Das und das und dann doch wieder das  brachten mich an den Rand meiner Kräfte. Wünsche anderer und eigene Ansprüche  konnten nicht erfüllt werden. Tränen, Schweigen und Verlorengehen . Dann traf ich eine Entscheidung. Ich hatte plötzlich Zeit mein Leben zu  betrachten und zu sortieren. Ich verabschiedete manches und lernte mich  zu schützen. Ich weiß, was mir gut tut (Ruhe, Alleinsein, Ruhe, Ruhe) und setzte es durch.

Nun bin ich wieder bunt. Seit einem Jahr in festen Arbeitstrukturen, ohne Existenzangst und mit gutem familiären Rückhalt, erfahre ich Wertschätzung für mein Wesen und meine Arbeit.  Ich empfinde ich große Dankbarkeit über diesen Lebensverlauf. Wichtig dabei war, dass ich die Prozesse aktiv gestaltetet habe – so habe ich z.B. gekündigt (ohne Aussicht auf einen neuen Job). Einen großen Schub Richtung Besserung hat gebracht, dass ich nicht Entscheidungen abgewartet und dann passiv erduldet habe, sondern ich mich entschieden habe. Und zwar mit allen Konsequenzen und ohne Plan B gegen die damalige Situation.

Ich bin weicher, aber gleichzeitig auch stärker geworden. Ein Beispiel: Hat mir früher eine Tasse mit einem zierlichen floralem Muster gefallen, habe ich mir nicht erlaubt, sie zu kaufen, weil unser Geschirr doch sehr schlicht ist und ich nicht wusste, was der Mann über diesen „Weiblichkeitsausbruch“ so denkt. SO WHAT! Es ist nur eine Tasse und wenn sie mir eine schöne Stunde beschert, her damit. Seitdem habe ich mindestens drei derartige Exemplare erworben und unser Tassenregal ist durcheinandergewürfelt und bunt. SO WIE ICH.

Hier wird es jetzt wieder regelmäßige Post und Buchrezensionen geben, ich freue mich drauf.

Herzliche Grüße

Neja

„Nur ein stilles Wasser wird wieder klar.“

Buch der Woche 15- Radek Knapp: Franio

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Buch der Woche 15- Radek Knapp: Franio

Von Knapp habe ich schon das Buch mit dem wunderschönen Titel: „Herrn Kukas Empfehlungen“, welches ich las, verkaufte und wieder kaufte, weil es mir fehlte. Dann steht noch ungelesen „Papiertiger“ im Regal und nun Franio. Ein optisch und haptisch schönes Bändchen. Der sehr schön gestaltete rot-weiße Umschlag und der irgendwie griffige Einband machen Buchlust. Ich habe es für 1,99 € von einem Grabbeltisch gerettet.

Ich liebe die Russen, ich liebe Osteuropa und in diesem Buch zeigt sich wieder mal warum. Fünf Geschichten, fünf liebenswerte Eigenbrödler, herrliche Dialoge und eine irre Handlung. Es gibt Tode, Verrückte, eisenbahnfahrende Vögel  – sogar der Teufel mischt mit. Auf das Herrlichste gelingen Knapp typische Dialoge zwischen Einwohnern des Hinterwaldstädtchens Anin, dass einen Mikrokosmos der Welt abbildet. Die Einwohner teilen sich in Sturköpfe und Lebensweise oder sind beides. So richtig ist der Inhalt nicht beschreibbar; es werden alltägliche Situationen erzählt und dann passiert wieder etwas komplett Surrealistisches. Irgendwie liest es melancolisch, rührend und glücklichmachend. Entdeckt Franio, Herrn Muschek und den Mädchenschwarm Lukas und dann den ganzen Knapp.

Erst im Licht der Laternen entdeckte ich, dass es bloß ein alter Storch war. Er bewegte die seltsam ausgefransten Flügel müde hin und her. Als er über mir war, drehte er für einen Moment das Köpfchen und blickte auf mich herab. Er sah aus, als würde er im Schlaf fliegen, als würde er sich nicht dafür interessieren, was unter ihm lag, sondern nur dafür, wohin er flog.

Ganz beseelt grüßt Neja

 

Die Rosenkohl-Bier-Diät

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Die Rosenkohl-Bier-Diät

Tut mir leid, lieber Leser. Hier geht es nicht um Diäten und schon gar nicht um Rosenkohl und Bier.

Nachdem ich feststellte, dass mein Beitrag „Die Käse-Sherry Diät“ fast die meisten Aufrufe überhaupt hatte, obwohl es auch in ihm nicht um eine konkrete Diät ging, versuche ich noch mal mein Glück mit einer aberwitzigen Lebensmittelkombination und dem Suffix Diät.

Wenn du bis hierher gelesen hast und nicht wütend meinen Blog verlassen hast, kann ich dir sagen, dass es doch ein wenig um Essen geht. Ich möchte über unsere Ernährung nachdenke, mit der ich überhaupt nicht zufrieden bin. Seit Jahren probiere ich aus, feile an Zeitplänen, kaufe immer wieder Kochbücher mit den Reizwörtern „Blitz“ „schnell“  „nur 20 min“ und stelle fest, dass auch dieser Bereich wieder mal auf meine geliebte Alltagserklärungsformel „Zeit oder Geld“ hinausläuft.

Der Reihe nach: die Kinder frühstücken jeden Morgen Toast. Früher haben wir nur Müsli geschafft und ich hatte den ganzen Tag ein schlechtes Gewissen, aber noch zeitiger wollte ich die Kinder nicht wecken, sie sind sowieso unter der Woche ganztags k.o. Nachdem wir unsere Morgenabläufe aber nochmal optimiert haben und die Kinder größér und schneller geworden sind,  schaffen wir auch toasten, schmieren und beißen. Die Tochter isst jeden Mittag wirklich um die Mittagszeit, die Söhne an drei Tagen leider erst um 14.30 Uhr. Das ist nicht gut, aber nicht zu ändern. An zwei Tagen haben sie kein Mittagessen, da wir eine halbe Stunde nach Schulschluß einen Anschlußtermin habe. Hier muss ich immer improvisieren und habe noch keine gute Lösung gefunden. Gekauften warmen Mittagstisch gibt es nur bis 14 Uhr (schaffen wir nicht); Bäckerteilchen sind einmal lecker, aber beim zehnten Mal ecklig-süß; Fastfoodessen ist zwar immer verfügbar, aber auf Dauer ungesund; die Bratwurst vom Stand bringt es auch nicht so und die zusammengekauften Snacks erst recht nicht. Ich kann vorher nichts besorgen, da ich direkt von der Arbeit komme und ich bin keine Mutter, die am Abend  etwas vorkocht und dann in Tupperdöschen auf der Rücksitzbank des Autos serviert. (Manchmal würde ich gern so eine Superduper-Mutter sein und irgendein Vollkorn-Rohkost-Dings so zubereiten, dass meine Kinder es auch essen). Problem hier also: keine ZEIT. Wenn ich weniger arbeiten würde und diese ausgewogenen Supersnacks vorbereiten könnte: kein weniger GELD.

Wenn wir täglich gegen 17 Uhr zuhause sind, sind alle so geschafft und unterzuckert, dass irgendwas Kleines (Banane, Milchschnitte, Butterbrot) – ja, ich gestehe, auch nicht zusammen am Tisch- verschlungen wird. Eigentlich ist es dann schon Zeit, über das Abendessen nachzudenken. Allerdings gibt es aber da noch diverse andere Aufgaben wie Tiere versorgen, Haushalt, Hausaufgaben, Kinderbedürfnisse, Mutterbedürfnisse, die sich dazwischen schieben. Und so wird es meist 19 Uhr, wenn der Erste panisch fragt: „Müssten wir nicht langsam mal abendessen?“ Meist gibt es  „Stulle mit Brot“, also Vollkornbrot (immerhin) mit Käse, Wurst, Aufstrichen, Salat …  Fertiggerichte gibt es bei uns nicht. Selten(ZEIT) koche ich einfache Sachen wie Nudeln, Kartoffeln und manchmal „kochen“ die Kinder  – hier schwanke ich noch zwischen völligem Verbot oder Resignation.

Wie bewundere ich Bloggerinnen, die das Essen für die Woche planen und dann auch wirklich kochen! Wann machen die das? Essen die um 22 Uhr? Wann kaufen die ein? Wer beschäftigt sich in der Zeit mit den Kindern?  Und es sind auch nicht nur die einfachsten Zutaten und Zubereitungsweisen in den Essensplanbeispielen. Wann fotografieren sie das Ganze und wann dekorieren sie den Tisch? Wann machen sie die Wäsche oder schreiben ihre Blogs? Sehr unheimlich. Mein Traum wäre, unser Abendessen regelmäßig beim Biobistro zu holen. Aber dafür – ihr ahnt es – fehlt das GELD.

Am Wochenende frühstücken wir für unsere Verhältnisse spät und ausgiebig. Es gibt ein einfaches Mittagessen und meistens hat der Gatte Lust, sich zum Abend eine Stunde in der Küche einzusperren und was richtig Gutes zu machen. Eigentlich will er ja nur in Ruhe die Fußball Bundesliga hören, ohne von mir mit weiteren Arbeitsaufträgen belästigt zu werden, aber wenn ein gutes Essen der Nebeneffekt ist, soll er gerne. Allerdings meint er es mit seinen Gerichten zu gut – schwer, fett und nicht ausgewogen. Wir hauen aber alle rein, da wir uns unter der Woche so einseitig ernähren. Am Wochenende gibt es auch viel Kaffee und Alkohol. Sonntags sieht es ab Nachmittag schon wieder anders aus, da bricht die legendäre Koppsche Sonntagspanik aus, von der noch zu berichten sein wird.

Ihr merkt, es ist nicht ideal und ich bin nicht grundlos unzufrieden. Wie kann ich unser Essverhalten verbessern? Wie kann ich Zeit sparen, um gut und gesund zu kochen? Aber eigentlich geht es hier nicht um möglichst schnelle Rezepte und die noch bessere Tagesorganisation. Ich glaube, ich bin sehr gut organisiert. Es geht darum, dass ich es mit drei Kinder und Job nicht hinbekommen, ZEIT für eine gesunde Ernährung aufzubringen.

Jetzt habe ich noch gar nicht über mein eigenes katastrophales Essverhalten geschrieben, auch das wird nachzuholen sein. Seid auf irrwitzige Überschriften gespannt.

Satt und gerade zufrieden grüßt Neja

Zwischen Essen und Ernähren können Welten liegen.

Sprichwort

Die Abrechnung- März

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Die Abrechnung- März

So, März also. Wieder mal zuviel Ausgaben für zu wenig Geld.Irgendwie ändert sich nicht viel und auch ich kann nicht viel ändern. Der größte Posten sind immer noch Lebensmittel, gekauftes Essen und Drogerieartikel.

80,30 Lebensmittel (nötig)

94,75 Tanken (nötig)

28,- Frühlingsblumen (Luxus)

22,60 Bastelkram (Luxus)

12,- Fotos (Luxus)

4,40 Parkgebühren (?)

14,90 Apotheke (nötig)

7,- Kosmetik (nötig)

13,10 Schulmaterial (nötig)

30,20 Essen ich (Luxus)

19,70 Essen Kinder (nötig)

2,60 Heu (nötig)

11,50 Bäcker (?)

5,- Kleidung Kinder (Luxus)

77,70 Drogerie (davon 50 € Luxus)

3,- Spende

67, – Geschenke

Insgesamt sind es etwas weniger Ausgaben – wir hatten aber auch freie Tage und einige Gutscheine. Was definitiv zu hoch ist, sind die Drogerieausgaben, wenn aber eine pubertierende Tochter und eine faltige, fleckige Mutter den Schönheitsmarkt mit seinem verheißendem Angebot betreten …

Viel Geld ist für Geschenke ausgegeben worden – hier will ich aber nicht sparen. Blumen müssen jetzt unbedingt sein – und beim Rest stellt sich wie immer die Frage: Zeit oder Geld?

Dies ist die letzte Abrechnung. Ich wollte die Reihe eigentlich bis mindestens Juli fortsetzten, aber ich möchte euch nicht langweilen und irgendwie ist es mir auch zu privat. Geld und Gehalt bleiben auf jeden Fall ein Thema im Blog.Die Kluft zwischen Einkommen und Lebenshaltenskosten und die Angst vor der Armut sind ein belastendes Familienthema.

In die Zukunft blickend grüßt

Neja

 

Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Ach wir Armen.

Goethe

 

 

 

Die mysteriösen „man“

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Die mysteriösen „man“

Das macht man nicht! Man macht doch …. ! Was sollen die Leute denken?  Man (beliebiges Verb) das (beliebiges Adjektiv)…

Phrasen wie Peitschen. Kennt ihr das? Schon in meiner Kindheit reagierte ich allergisch auf das Wörtchen „man“ und fragte mich damals pubertär-aufsässig, heute ernsthaft:  Wo steht das, wer sagt das, warum soll ich das machen? Bekomme ich mal einen von den „man“ zu Gesicht? Ist das ein Mann oder eine Frau oder treten die nur als Gruppe auf? Können die reden oder nur ausführen?

Was passiert, wenn „man“(also in dem Fall ich) sich nicht so verhält, wie „man“ es soll? Werde ich sofort vom Blitz getroffen oder riskiere ich den Dorffluch? Schon immer habe ich in dieser Hinsicht gern provoziert – habe dem Besuch nicht die Hand gegeben, obwohl „man“ es so macht, habe keinen Tortenheber, obwohl „man“ einen hat, habe die Kinder nicht auf der örtlichen Schule eingeschult, obwohl „man“ das hier so macht (eigentliche Aussage: wir sind hier nicht in der Großstadt und ihr seid nichts Besseres). Dieses „man“ macht es so einfach, sich zu verstecken, nicht die eigentliche Meinung zu sagen bzw. überhaupt mit dem Denken zu beginnen.

Egal, ob es sich um kleine Alltagsdinge wie den Tortenheber oder wichtige Lebensentscheidungen handelt: wenn die Wörter „man macht…“  fallen, denke ich erstmal an das Gegenteil. Klar nehme ich auch Sachen an: wenn ich mich nach einem Obstbaumschnitt erkundige und der Bauer erklärt mir, dass man lieber soundso …, werde ich nicht das Gegenteil tun.

Was mich stört, ist dieses nicht hinterfragte und enggeistige Überstülpen von Konventionen, Rollen, Abläufen. Ich will nicht Teil der schafartige Masse „man“ ohne Meinung und Ideen sein. Ich bin ich, ich denke, hinterfrage und treffe natürlich auch Fehlentscheidungen. Aber es sind meine Entscheidungen und nicht die einer anonymen Gruppe, die mir ihre Aussagen nicht begründen kann. Die Torte kann ich genauso gut mit einem breiten Messer heben. Abgesehen davon backe ich keine Torte. Das kann damit zu tun haben, dass ich in meiner Kindheit überproportional häufig hörte:“Du musst dich doch dafür interessieren. Als Mutter muss man doch Kuchen und Torte backen können.“ Muss man nicht.

Ich bin in sehr engen Grenzen mutig, aber hier ist es mir wichtig, meinen Kinder zu zeigen, dass es die furchteinflössenden „man“ nicht gibt. Es ist egal was „die Leute“ (das sind die Nachbarn von „man“) sagen – wichtig ist, dass jeder seine eigenen Entscheidungen trifft und bestenfalls damit zufrieden ist.

Ganz emanzipiert grüßt heute

Neja

Konvention heißt Übereinkommen in Worten und Handlungen ohne Übereinkommen des Gefühls.

Nietzsche

 

Buch der Woche 14 – A.J. Cronin: Die Schicksalsnacht

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Buch der Woche 14 – A.J. Cronin: Die Schicksalsnacht

Hmm, was ist mir denn da ein die Hände gefallen? Ein kleines, dünnes graues Büchlein, welches sich wahrscheinlich jahrelang neben den dicken Schinken versteckt hatte. Woher ich es habe, weiß ich nicht mehr; dass ich mir bei diversen Umsortieraktionen immer mal wieder in die Hände fiel und mich neugierig machte, weil ich mit Autor und Titel absolut nichts anfangen konnte, weiß ich schon noch. Gestern Abend habe ich dann in zwei Stunden dieses verlockend dünne und unscheinbare Büchlein „ausgelesen“. Heute die Recherche: Cronin war schottischer Arzt und schrieb nebenbei 25 Romane, die sich mit seinem Milieu und vor allem seiner Beobachtung von sozialen Ungerechtigkeit beschäftigten. „Die Schicksalsnacht“ entstand 1940 und wurde noch im selbem Jahr verfilmt (Respekt).

Wenn das Buch nicht in dieser seriösen Aufmachung dahergekommen wäre, könnte man es gut als Groschenroman lesen. Die Figuren sind sowas von kategorisiert und schwarz-weiß gezeichnet, das man als Leser fast beleidigt sein müsste. Es geht um die Krankenschwester Anne (durchgängig gut, klug, schön) und ihre Schwester Lucy (naiv und selbstsüchtig, am Schluss gut- nützt ihr aber nichts- sie stirbt), um den Oberarzt Prescott (durchgängig gut, klug, schön) und noch ein paar Nebengestalten mit Charakterstagnation. Natürlich bekommen sich die beiden guten und schönen Menschen, nachdem alle Personen eine Katharsis durchlaufen haben und eine schwierige Hirn-OP ( entgegen aller Voraussagen und Hindernisse erfolgreich) durchgeführt wurde.

Trotzdem hat das Büchlein seinen Reiz. Eine gute Geschichtsidee, spannend erzählt und dann doch nichts so einseitig, wie es vielleicht meine obige Beschreibung vermuten lässt. Der sozialkritische Aspekt besteht hier in der Beschreibung der wirklich schlechten Arbeits-und Lebensbedingungen der Krankenschwestern und ihrer ersten gewerkschaftlichen Organisation. Das Buch hat mich nicht gelangweilt, wie es bei vielen der heutigen Werke mit ihrer Selbstbespiegelung und ironischen Ironie der Fall ist. Trotzdem verlässt es mich in die Kiste (den Container muss man fast schon sagen) der weiterzugebenen Bücher.

 

… der große Reichtum erlaubte ihr, dauernd krank zu sein. Sie liebte ihren Mann immer noch, lag aber die meiste Zeit zu Bett und litt an nervösen Zusammenbrüchen, die sie mit den harten Kämpfen ihrer ersten, sehr arbeitsreichen Ehejahre begründete.

 

Schon das nächste Buch bereitlegend grüßt

Neja

Buch der Woche 9-13: Frustmix

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Buch der Woche 9-13: Frustmix

Irgendwie ist im Moment der (Bücher-)Wurm drin. Ich habe keine Zeit und Lust zu bloggen und die Bücher, die ich lese, hauen mich auch nicht vom Hocker. Ich fange an und lege weg oder quäle mich durch.

Carlos Ruiz Zafron: „Der Gefangene des Himmels“. Der dritte Teil der Barcelona-Triologie, die ich Spätzünder erst jetzt entdeckt habe. Haben mich die ersten Bände gefesselt, scheint dieser mit dem schnellen Stift und wegen des zu erwartenden Anschlußerfolges geschrieben worden zu sein. Eine vergleichsweise geringe Seitenanzahl, die große Schriftgröße und ein nicht so komplexer Inhalt untermauern meine Vermutung. Erzählt wird die Geschichte einer – mir eigentlich sehr symphatischen- Nebenfigur und ihrem Vorleben, welches hauptsächlich zwischen Band 1 und 2 spielt. Unnötig brutale Schilderungen und etwas zu wenig von dem zafrontypischen Schaudern enttäuschten mich. Trotzdem bin ich mit Zafron nicht fertig. Irgendwann habe ich die Zeit, detektivmäßig die komplexen Verknüpfungen und Handlungsstränge der Romane zu entwirren und mich mit seinen anderen Werken zu beschäftigen.

Ursula Ott: „Schöner scheitern“. Kleine Geschichten über die Ärgernisse und Glücksmomente des Alltags – Wiedrigkeiten in Familie, Job und dem Leben allgemein. Gut geschrieben, aber schon oft so gelesen. Die Autorin ist Journalistin und hat – glaube ich – auch nicht den Anspruch schriftstellisch tiefe, nachhaltige Werke zu schaffen. Habe öfter gegrinst und dann schnell wieder vergessen. Für die Gammelstunde zwischendurch.

Sibylle Weischenberg: „Meine dreißig Lippenstifte und ich“. Mist! Großer Mist. Aus dem Verschenkregal der Bibliothek, weil zu wenig ausgeliehen. Zu Recht.

Alexander zu Schönburg: „Smalltalk“. Der Herr kann schreiben und hat ein überdurchschnitliches  Allgemeinwisssen. Wie auch schon in „Die Kunst des stilvollen Verarmens“ gefällt mir seine gelassene Haltung und seine fast philosophische Deutung bestimmter Lebensereignisse. Seine Bücher sind weniger Ratgeber als gut beobachtete Gesellschaftsanalysen und (s)eine Haltung dazu. Allerdings ist Schönburgs Bekanntenkreis nicht mein Bekanntenkreis und meine Sozialkontakte können mit  abgefahrenen Theorien zur Kunstgeschichte und Geldanlageanekdoten vom Börsenguru Kostolany wenig anfangen. Wenn man das Namedropping erträgt, taugt es gut zur Auffrischung oder dem Neuerwerb eines breiten konsensfähigen Allgemeinwissens. Habe das Buch trotzdem erst zur Hälfte durch.

Manfred Lütz: „Bluff“. Von Lütz habe ich „Irre!“ gelesen und fand es informativ und gleichzeitig unterhaltsam. Darum nahm ich mir gleich zwei weitere Einwortwerke („Bluff“ und „Gott“) mit. Leider verstehe ich das Konzept dahinter hin. Ich scheue keine Gedankenarbeit, aber muss man hunderte Seiten naturwissenschaftliche und philosophische Gedanken wiedergeben, wenn man doch sagen könnte: „Stellt euch vor, es wäre wie in der Truman-Show.“ (Hat er ja auch im ersten Drittel des Buches.) Aber was soll das drumherum? Für den Kerngedanken, dass die Welt doch ein großer Bluff sei, fehlen wiederum Herleitungen und Belegen. Oder denkt er es gar nicht und will nur das Denken des Leser aktivieren? Wäre dem psychatrischen Arzt und Theologen durchaus zuzutrauen. Mit diesem Buch komme ich nicht weiter. Ich gebe es zurück und werde hoffentlich irgendwann seine anderen provozierend-wiedersprüchliche Bücher verstehen.

Außerdem Zeitungen, Zeitschriften, Magazine – ich konsumiere, lese aber nicht so, wie ich es mir wünsche.

Das Unheil, welches die schlechten Bücher anrichten, kann nur durch die guten wieder ausgeglichen werden.

Germaine de Stael

In diesem Sinne

Neja

 

Geräuschallergie

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Geräuschallergie

Um mich herum haben dreiviertel aller großen und kleinen Leute irgendwelche Unverträglichkeiten oder Allergien. Fast stolz erzählen 45jährige von der plötzlich auftretenden Fruktoseintoleranz und der Bauer, der seit 50 Jahren auf den Dorf wohnt, hat auf einmal eine Katzenhaarallergie. Eine befreundete Familie mit zwei Kinder bringt es insgesamt auf über 30 Unverträglichkeiten. Entspannt gemeinsam essen ist da nicht mehr.

Ich habe nichts. Kann alles essen und jedes Tier streicheln. Fast neidisch blicke ich am Tisch auf Extradöschen und Ersatzstoffe und lausche Geschichten über anschwellende Hälse und schreckliche Hautauschläge. Dann fällt es mir ein: ich habe auch eine Unverträglichkeit vorzuweisen, ich habe eine Geräuschallergie!

Das Klackern des Blinkers ist mir zu laut. Wenn ich an einer Ampel stehe, blinke ich erst kurz vor dem Losfahren und ziehe (zu Recht) den Zorn der anderen Autofahrer auf mich.  Fön, Mixer, Schleudergang – alle üblichen Haushaltgeräte quälen mich (der Staubsauger geht komischerweise).Wenn man ein Geheimnis aus mir herausholen wollte, reichen 30 Minuten Privatradio in nicht einmal übermäßiger Laustärke. Diese schreiende Pseudofröhlichkeit mit dummer Werbung und nertötender Musik kocht mich weich.Ich möchte mich nicht anschreien lassen, weder von Radiotrailern, noch von Fernsehwerbung und schon gar nicht von meinem Chef.

Ich mag Musik, gern auch laut. Sie darf mir aber nicht aufgezwungen werden, dann funktioniert auch meine Lieblingsmucke nicht mehr. Früh um sieben auf der Straße geht kein Punk oder kein Schmalzpop – beides macht mich aggressiv. Mein Gatte liebt Sprechsender wie den Deutschlandfunk und schaltet sie nur ein, wenn ich nicht im Haus bin. Ich höre durch zwei geschlossene Türen die Stimmen. Höchstqual: die Bundesligaschlusskonferenz im Radio: Schreien, Jubel, lautes schnelles Sprechen, ins Wort fallen, Schreien.

Motorräder, Ampelschnellstarter und ganz besonders diese getunten Kisten erschrecken mich immer wieder.Wie kann man im Auto so laute (und meistens auch so blöde) Musik hören, dass es sogar im nebenstehende Autos vibriert? Und hier hätten wir schon die Formel: laut= meist auch blöd. Dies gilt für Worte, Musik und Maschinen.

Kindergetobe mit Rennen und Hüpfen und Quitschen ertrage ich tagesformabhängig. Nie gewöhnen werde ich mich an pubertierend Mädchenrunden, deren Kommunikation auschließlich aus Kichern, Kreischen, Gickern und Prusten besteht.Wenn meine Jungs in ihrer Youtube-/Gamersprache sprechen, reden sie schnell und laut und irgendwie rhytmisch. Gehört zum Habitus und nervt mich trotzdem. Manchmal meckere ich sogar, wenn meine Tochter singt.Sie singt sehr gut. Allerdings muß man wissen, dass sie sehr lange singt und dazu auch tanzt.

Ich höre, wie die Kinder sich im Schlaf umdrehen, obwohl ich mit Ohrenstöpseln schlafe. Was meint ihr, diese Symptome können es doch mindesten mit einer Histaminintelorenz aufnehmen, oder? Trotzdem habe ich nie über eine Desensibilisierung oder Ersatzstoffe nachgedacht. Ich bin vielleicht überempfindlich, das ist aber gut so. Denn laut=meist auch blöd.

Ganz leise grüßt

Neja

Die Ruhe ist die natürliche Stimmung eines wohlgeregelten, mit sich einigen Herzens.

Wilhelm von Humboldt

Die Abrechnung- Februar

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Die Abrechnung- Februar

Der März ist schon fortgeschritten und ich habe den Februar noch nicht finanztechnisch analysiert. Ich traue mich irgendwie nicht, da ich weiß, dass ich wieder über die Stränge geschlagen habe. Davon unabhängig sieht es im Moment übel aus (Auto kaputt, Drucker kaputt, Ostern und Tochtergeburtstag steht an usw.), aber ab Juli wird sich dieses ständig beklemmende Gefühl hoffentlich etwas geben. Ich habe bei der Gehaltsverhandlung alles gegeben und todesmutig und knapp an der verhaltensbedingten Kündigung argumentiert. Kann mich trotzdem nicht richtig freuen, denn bis Juli sind noch so viele finanzielle vorhersehbare und unvorhersehbare Dinge zu stemmen.

Also, jetzt erst mal zum Februar; es bleibt bei der Einteilung Luxus und nötig.

26,95 Briefmarken NÖTIG

4,- Päckchenporto NÖTIG

15,75 Lotto LUXUS

17,- Pediküre LUXUS

10,- Fisch LUXUS

24,- Friseur Kinder NÖTIG

50,30 Tanken NÖTIG

9,90 Handcreme LUXUS!

9,90 Hautcreme NÖTIG

38,40 Geschenk zur Geburt NÖTIG

4,50 zweimal Obstschale NÖTIG

34,10 Insulin für die Katze NÖTIG

3,20 Parken?

40,- Kinderkleidung NÖTIG

44,- Apotheke (davon 27 € nicht nötig – Immunstärker)

22,20 Mittag für mich ?

3,50 Spenden NÖTIG

1,20 Ingwertee NÖTIG

4,70 Geburtstaggeschenk NÖTIG

22, – vier Sonnenbrillen (NÖTIG)

46,- Kleinkram für Haus und Hof (20,-  davon LUXUS)

14,90 Drogerie NÖTIG

20,80 Bäcker für die Kinder?

66,80 Lebensmittel NÖTIG

So und jetzt kommt es – schimpft mit mir und buht mich aus: 170,- Kleidung ich! LUXUS LUXUS LUXUS ! Am Tag des Gehaltsgesprächs habe ich ganz aufgewühlt in einer Überprungshandlung zugeschlagen. Es sind viele Teile (14) und sie sind sehr preiswert gewesen (ich traue mich gar nicht zu sagen, wo ich sie gekauft habe), aber trotzdem ist die Summe von 170 € schon gewaltig,  so wie sie hier steht.

Bei der Aufstellung komme ich wieder ins Grübeln.  Zu den Problematiken Bäcker für die Kinder, Mittag für mich und Parken hatte ich schon im Januar geschrieben; hier gilt wie immer Zeit oder Geld. Aber trotzdem bleibt in jedem Monat die Grundfrage: Was ist nötig, was ist Luxus? Kann ich die Haare der Kinder selber schneiden (NEIN!), muss es die überteuerte Obstschale für die Tochter sein (an diesem Tag Ja), sind diese für mich teuren Cremes nötig (Handcreme auf keinen Fall, Hautcreme vetrage ich nach langer Suche genau diese am besten). Na klar, Kinderkleidung bekomme ich auch second-hand, aber ich habe keine Zeit zum Suchen und ein pubertierendes Kind will nicht alles gebraucht und hat außerdem einen speziellen Geschmack.

Es macht mich erneut trautig, wie knapp das Geld bei zwei Vollverdienern in guten Positionen ist und das Selbstverständlichkeiten bei uns keine sind. Auch die Kinder bekommen die angespannte Lage mit, wobei wir sie davon wenig merken lassen wollen. Sie fragen nach Lebensmittelpreisen und wählen das günstigere Angebot, aber hätten auch gern mal den Original „Hohes C- Orangensaft“ gekauft. Ich will das nicht 😦 und wäre auf jeden Fall unverkrampfter, wenn neben anstrengender Arbeit, forderndern (zu Recht) Kindern und dem anderen Lebenskram eine etwas entspanntere finanzielle Lage herrschen würde.

Dispoverliebt grüßt

Neja

Bewerte Geld nicht höher oder niedriger als das, was es wert ist;
es ist ein guter Diener, aber ein schlechter Meister.

Alexandre Dumas